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Individual Report



Die Kundschafter in der Dobrudscha

Wir wissen, dass, bedingt durch die hohe Geburtenrate, ab ungefähr 1850 das Ackerland in Krasna knapp wurde. Aufgrund dieser Landknappheit, der Aufhebung der Privilegien für die Kolonisten sowie der folgenden Russifizierungspolitik1 suchten auch Krasnaer Land im Ausland. Dafür bot sich ein Landstreifen an, der nicht allzu weit weg war vom Heimatort, freie Flächen bot und wo schon Menschen aus Krasnas Nachbarschaft fündig geworden waren: die Dobrudscha2.

Dobrudscha-deutschDas Gebiet der Dobrudscha heute: in Bulgarien gelb, in Rumänien orange.

Die Dobrudscha ist eine historische Landschaft in Südosteuropa zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer (Donaudelta mit beiderseitig angrenzenden Steppengebieten).
Die deutschen Kolonien in der Dobrudscha gehen nicht auf gezielte staatliche Maßnahmen zurück, sondern auf einen ungeordneten Zuzug vor allem aus Bessarabien und dem Raum Odessa.

Man hatte auch in Krasna gehört, dass über der Donau in der damals noch türkischen Dobrudscha genügend Land zu bekommen war. Daraufhin fuhren im Februar 1876 vier Krasnaer Bauern über die zugefrorene Donau nach Malcoci, um beim Pascha Soleiman Bey in Tulcea vorzusprechen.

Es waren:

Die Daten der vier Kundschafter

Die Verhandlungen der Kundschafter mit Pascha Soleiman Bey in Tulcea

Durch Vermittlung des Malkotscher Bürgermeisters wurden die vier Krasnaer Bauern vom Pascha empfangen und konnten ihr Anliegen vorbringen. Das Paschalik genehmigte die Einwanderung der deutschen Kolonisten, unter der Bedingung, dass sie sich nicht im Norden der Dobrudscha niederließen (aus Angst, Siedler könnten Russen in die Hände arbeiten). Ansonsten durften sie in jedem Dorf der mittleren Dobrudscha siedeln. Land wurde ihnen zugesagt, soviel wie sie bebauen konnten.
Mit dieser Botschaft kehrten die vier Bauern nach Krasna zurück.

Die Auswanderung 1876 in die Dobrudscha

Aufgrund der positiven Berichte der vier Kundschafter verließen im Mai 1876 rund dreißig Krasnaer Familien ihren Heimatort und zogen mit ihrer ganzen Habe in die Dobrudscha.
Unter ihnen waren Wehrpflichtige, die seit 1873 der allgemeinen Wehrpflicht unterworfen waren und in den folgenden Jahren mit der Einberufung rechnen mussten.
Michael Ternes (*11.1854) aus Krasna war einer der ersten Rekruten, der nach Ablauf des Freibriefs von Kaiser Alexander I. von Russland russischer Soldat hätte werden sollen. Die Rekruten seines Jahrgangs -es waren sieben Kameraden - beschlossen, lieber auszuwandern, als den Russen fünf Jahre als Soldat zu dienen.

Die vier Kundschafter sind selbst auch in die Dobrudscha gegangen, alle haben in Karamurat gewohnt.

Diese dreißig Familien versuchten zwischen 1876 und 1878 an verschiedenen Orten Fuß zu fassen. Das türkische Dorf Kara-Murat3, ein großes Tatarendorf, fand bei vielen großes Interesse.
Der Russisch-Türkische Krieg 1877-1878 zwang dann aber Tataren und zuziehende Deutsche zur Flucht. Aber sieben Familien blieben in Karamurat; es waren die Familien:

  1. Christian Fenrich,
  2. Sebastian Kreis,
  3. Johannes Müller,
  4. Josef Müller,
  5. David Ruscheinski,
  6. Johannes Ruscheinski und
  7. August Söhn.
Die anderen Familien gingen nach Malkotsch, Caraibil, Taschaul, Fachri und Kodschalie.

Nach dem Friedensschluss 1878 setzte man in den Dörfern langsam die Aufbauarbeit dort fort, wo sie durch den Krieg unterbrochen worden war. In Karamurat fanden sich zahlreiche Familien wieder zusammen, die bisher in den umliegenden Dörfern gewohnt hatten, und so gilt das Jahr 1878 als das Jahr der Gründung der dortigen katholischen Kirchengemeinde.

U.a. folgende Familien kamen zu den genannten sieben hinzu:

  1. Peter Arnold,
  2. Thomas Gedack,
  3. Kaspar Götz,
  4. Michael Götz,
  5. Josef Kuhn,
  6. Matthias Müller,
  7. Thomas Müller,
  8. Martin Politzki,
  9. Mathias Ternes und
  10. Michael Ternes.

Als sich in Krasna verbreitete, dass die Abwanderer günstige Ansiedlungsverhältnisse angetroffen hatten, zogen 1878 und später einige weitere Familien nach (genaue Zahlen liegen nicht vor).
An freiem Land war kein Mangel, und auch die rumänische Regierung zeigte sich bis 1883-1884 bei der Vermessung durchaus freigiebig. Die nach 1884 Angekommenen haben jedoch kein Land mehr erhalten. Wenn sie nicht Gelegenheit zum Kaufen fanden, blieben sie auf Pachtland angewiesen.

Das Jahr 1878 war nicht nur das Gründungsjahr von Karamurat, sondern auch jenes, in welchem die Dobrudscha gemäß dem Frieden von San Stefano an Russland und dann durch Tausch mit dem südlichen Bessarabien an Rumänien fiel.
Unter der türkischen Herrschaft hatte sich das deutsche Schul- Kirchen- und Gemeindewesen verhältnismäßig frei entfalten können. Das änderte sich unter den neuen rumänischen Machthabern; auch die Freistellung vom Militärdienst entfiel nunmehr.

1884 lebten bereits ca. 50 deutsche Familien in Karamurat, dem Hauptort der Krasnaer in der Dobrudscha. In den folgenden Jahren kamen immer wieder Siedler aus Krasna ins Dorf. Im Jahr 1890 waren es schon 130 Familien mit 720 Personen.
Krasnaer gingen auch in andere Orte der Dobrudscha. Von den ersten Ansiedlungsorten aus haben sie sich nicht nur in den sechs rein katholischen Orten, sondern auch in andere verteilt. Im Ortsfamilienbuch Krasna sind Personen mit Krasnaer Wurzeln ausgewiesen, die an verschiedenen Plätzen zumindest zeitweise gelebt haben.

Die bekannten Auswanderer aus Krasna in die Dobrudscha sind in folgender Aufstellung aufgelistet: Auswanderung aus Krasna, Website in Krasna Photo Collection
Die enge Verbindung dieser Kolonisten nach Krasna blieb bestehen.

Ihre Geschichte kann bei Florian Müller nachgelesen werden: "OSTDEUTSCHES SCHICKSAL AM SCHWARZEN MEER, 1840-1940; Dr Johannes Florian Müller, 1981"

Weitere Quellen (Auszug):



Eduard Volk
Neuwied, Oktober 2024
Eduard's Vorfahre ist Klemens VOLK


  1. 1871 wurden von der Regierung die Landzuteilungen und die Steuerbefreiungen für die ausländischen Kolonisten gestrichen. 1873 wurde dann die allgemeine Wehrpflicht auch für deutsche Bauernsöhne verbindlich.
  2. Träger schreibt in "Die Deutschen in der Dobrudscha": "Im Sommer 1872 weilten Abgesandte aus den bessarabischen Kolonien in der Dobrudscha, um geeignetes Land zu suchen."
  3. Der nordwestlich von Constanta gelegene Ort, der heute Mihail Kogälniceanu heißt, ist in jüngerer Zeit vor allem als Flughafen und NATO-Stützpunkt bekannt.

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Ted J. Becker [†]  &  Otto Riehl, Kirchlinteln
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