Piroggi sind gefüllte Teigtaschen. Die Variante meiner Mutter ist zur Hälfte mit je einer eingekochten Zwetschge gefüllt, zur Hälfte mit Quark.
Phonetisch nach meiner Mutter müsste man sie Biroggi schreiben, aber wie sagte schon mein alter Lateinlehrer: das schreibt man mit b und nicht mit b, mit b wie Baula1. Also schreiben wir Piroggi mit b wie Paula.
Meine Mutter stammte aus Bessarabien, aus dem Dorf Krasna, das heute in der Ukraine liegt. Ihre Vorfahren waren deutsche Kolonisten, die zuerst in Polen gesiedelt hatten und wahrscheinlich von dort die Piroggi mitnahmen, als sie Richtung Schwarzmeer weiterzogen und Krasna gründeten.
Für ihre Kinder und Enkel waren Piroggi immer ein besonders gern geschmecktes Essen, das bei fast jedem Besuch gekocht wurde. Besonders beliebt waren die mit Zwetschgenfüllung, süss, die mit Käse waren halt gesund.
Kein Wunder, dass mein Sohn versuchte, diese Erinnerung wieder aufleben zu lassen. So erzählte er mir beiläufig, er habe versucht, nach einem Rezept aus dem Internet Piroggi zu kochen und sei grandios gescheitert. Die Dinger seien alle aufgegangen.
Und das bei einem Mann, der Couscous-Salat oder indisches Butterhühnchen etc. bestens zubereiten kann!
Mein Gewissen: du bist eine schlechte Mutter, hast dem Kind nicht einmal beigebracht, wie man Piroggi kocht!
Also habe ich ich dem Kind (37 Jahre alt) versprochen, mit ihm Piroggi nach Omas Art zuzubereiten. Ich hatte sie nie selbst gekocht sondern immer nur der Mutter geholfen, insbesondere nie den Teig geknetet. Irgendwann hatte ich meine Mutter um das Rezept für diesen Teig gebeten: "Mehl, Salz und Wasser."
"Ja wie viel Mehl denn? "
"Ein paar Handvoll! " Mit dieser Masseinheit konnte ich nichts anfangen. Für mich hätten es schon Gramm sein müssen. Unsere Hände hatten außerdem ein unterschiedliches Fassungsvermögen.
Was nun? Woher das Rezept für den Teig nehmen? Vielleicht kann Cousin Otto helfen! Der sammelt schon lange alle Informationen aus und über Krasna. Und tatsächlich, Otto konnte zwar nicht mehr das Originalrezept seiner Großmutter auftreiben, hatte aber ein kleines Rezeptbuch über bessarabische Spezialitäten mit einem Rezept für "Käsknöpfle", das passte. Die Füllung ist für mich ohnehin kein Problem. Die erinnere ich noch gut!
Also war zur Vorbereitung des Weihnachtsbesuches des Sohnes alles zu besorgen, was nötig ist für Piroggi: zunächst Mehl. Im Supermarktregal stehen mindestens 5 Sorten Weizenmehl... Type 405 hatte Mutti immer zuhause, also Type 405!
Schichtkäse! In welchem Supermarkt gibt es heutzutage noch Schichtkäse! Quark, ganz normaler Quark muss reichen! Zwei Gläser Zwetschgen. Fertig. Alles andere ist ohnehin ständig vorrätig.
Dann kamen Weihnachten und Jahreswechsel und der Tag des Piroggikochens. Teig kneten und ruhen lassen, Quark und Zwetschgen gut abtropfen lassen, Quark würzen, Teig ausrollen - schön dünn - , Quadrate für die Taschen schneiden, Füllung auftragen, Taschen zusammenklappen und gut verschließen. Piroggi in kochendes Wasser geben und ziehen lassen. Sohnemann kam gut zurecht und alles klappte und schmeckte. Projekt gelungen. Allerdings hatten wir ausser der Quark - Füllmasse laut Rezept noch sämtliche Zwetschgen als Füllung verarbeitet. Denn die Füllung ist doch das Entscheidende! Daran darf man nicht sparen!
Das Mehl auf eine Arbeitsplatte sieben, in die Mitte eine Grube drücken, langsam Wasser und Ei in die Grube geben und mit dem Mehl kräftig kneten, bis ein glatter Teig entstanden ist. Eine Schüssel anwärmen (es reicht mit Heisswasser) und die Teigkugel hineinlegen. Mit einem Geschirrtuch abdecken und 30 - 60 Minuten warm stehen lassen, nicht in den Kühlschrank stellen! In dieser Wartezeit die Füllung vorbereiten:
Schichtkäse / Quark durch ein Sieb abtropfen lassen. Kräuter klein schneiden bzw. hacken.
Zwetschgen auf einem Sieb abtropfen lassen.
Schichtkäse / Quark mit dem Ei verrühren, salzen, Kräuter hinzugeben.
Nach der Ruhezeit den Teig in 3 Teile teilen. Arbeitsplatte mit Mehl bestäuben, sonst bleibt der Teig kleben. Teigdrittel nacheinander mit einem Teigroller / Nudelholz dünn ausrollen. Die ausgerollte Teigplatte jeweils in Quadrate schneiden, ca. 9x9 cm. In die Mitte eines jeden Quadrats entweder 1 Zwetschge legen oder 1 Teelöffel der Käsemischung. Achtung, die Ränder der Quadrate sollten dabei sauber und trocken bleiben, sonst lassen sich die Teigtaschen nicht schließen!
Teigquadrate über Eck zu Dreiecken zusammenklappen und die Ränder sorgfältig zusammendrücken. Es darf keine Stelle offen bleiben, sonst gehen die Taschen auf.
In einem großen Topf Salzwasser aufkochen, die Piroggi hineingeben. Wenn sie nach oben steigen, Temperatur reduzieren und sie noch 15 - 20 Minuten ziehen lassen. Mit einem Schaumlöffel herausnehmen und warm stellen.
Toastbrot entrinden und zu kleinen Würfeln schneiden. Diese in Butter goldbraun braten und mit der Bratbutter über die Piroggi geben.
Statt Toastbrot kann man auch Semmelbrösel rösten.
Fertig!!!
Veronika Bartel (geb. Bachmeier)
Tochter von Johannes und Irma Bachmeier
Mecklenburgische Seenplatte, Januar 2025