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Individual Report




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Personen in dem Bericht

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~ 1889
Erzähler: 

Anna Maria MÜLLER *1810 † 1898.
"im alt Hanriehls Michel sei Mutter"  Anna Maria MÜLLER *1810 † 1898.
"der alt Hanriehl"  Johannes Riehl *1806 † 1875.
"im alt Hanriehls Michel"  Michael Riehl *1850 † 1919.
"der Lexius"  Alexius Riehl *1892 † 1968.
Zuhörer:
Theresia Kranich, Jungmagd
"de Henrich" 

Theresia Kranich *1877 † 1975.
Heinrich Riehl *1878 † 1921.
~ 1962
Erzähler: 

Theresia (Kranich) Keller *1877 † 1975.
Zuhörer:   Alois Leinz *1918.
Michael Riehl *1939.
Theresia war sich nicht sicher, ob "alt Hanriehls Michel" der Großvater oder der Urgroßvater von Michael Riehl *1939 ist.

Quelle

Der Göttinger Arbeitskreis · Schriftenreihe Heft 66
Alfred Cammann
Vom Volkstum der Deutschen aus Bessarabien <br> Holzner-Verlag Würzburg/Main
Seite 47-48

Anrede "Ihr"

Ältere Personen (Respektspersonen) wurden nicht mit Du, sondern mit Ihr angeredet.

Bericht von der Auswanderung. Im Auszug

Mundart: Krasna

(Wie war denn das, wie (als) Ihr eingewandert seid?) Ach, na das war dem alt Hanriehls Michel seine Mutter, dem Lexius seinem Vater seine Mutter, seine Großmutter war's. Und ich war als Magd dort bei ihnen. Und dann die Alte war schon so alt, die Frau, die hat doch so alleine nicht immer wollen hocken drinnen, und wir haben nicht fort gedurft. Und alt Hanriehls Michel, Euer Großvater, Euer Urgroßvater, hat gesagt: "Geht rüber zu der Großmutter rein! Großmutter soll euch Märchen erzählen!" - Na, jetzt sind wir als (manchmal) rüber, und manchmal sind wir gern reingegangen und manchmal auch nicht. Ich sage die Wahrheit. Jetzt hat sie am Ofen manchmal gehockt, manchmal hat sie im Bett gehockt. - (Ihr habt abends nicht dürfen spazierengehen?) Wir haben nicht dürfen,nein, nein, der Henrich nicht, und ich auch nicht. Ich habe Handarbeit gemacht, gestrickt oder gehäkelt, wie's dort war. - Na, jetzt hocken wir so, und auf einmal sagt der Henrich: "Na, Großmutter, warum seid'r (seid ihr) denn bis hier hergekommen? Ihr ward doch in Bayern, habt'r (habt Ihr) schon erzählt, warum seid'r (seid ihr) denn bis hier hergekommen?" - "Na", hat sie gesagt, "Kind, 's war doch dort so schlecht zu leben, wir hatten so wenig Land gehabt, und 's war so teuer alles! Na, so sind wir hier her." - "Na wie lange seid'r (seid ihr) dann gereist?" hab ich gesagt. "Oh Kind!" - "Wie seid'r (seid ihr) denn gefahren?" -"Oh Kind, vom Fahren war keine Rede! Wir haben müssen laufen zu Fuß bis hier her!", hat sie gesagt. "Na, das habt'r (habt ihr) doch nicht ausgehalten, das ist lang, weit, das Deutschland, das Bayern!" - "Ja wir sind auch nicht immer gelaufen", hat sie gesagt, "wir haben müssen in Quarantäne liegen manchmal einen Monat oder anderthalb Monate oder vierzehn Tage - immer so, wie die Dörfchen waren. - Und in Winterszeit sind wir ja nicht", sagt sie, "gereist, haben wir müssen liegen." - "Was habt'r (habt ihr) denn gegessen?" - "Na, sie haben zu essen gekriegt etwas; aber 's war so schlechtes Essen, das Bobschoimehl ( Maismehl) war zusammengeschimmelt und zusammengedrückt, dass sie haben 's müssen auseinanderklopfen. Sie sind vor Hunger beinahe gestorben! Na, was sollten sie aber machen, sie waren auf dem Weg, sie haben halt müssen durch! Jetzt haben sie eine Zeit lang dort müssen liegen, dann heidi (los) wieder weiter, ist der Wagen wieder gerichtet worden." - "Na, was für einen Wagen hattet denn ihr? Ihr habt doch gesagt, ihr seid nicht gefahren?" - "Na, unser Vater hat so ein Wägelchen gemacht", sagt sie, "so mit zwei Rädern und vorne Deichselchen rangemacht! Und dann haben wir unser Sach draufgetan. Dann haben vorne zwei gezogen, und die anderen hinten, die Hintersten haben gedrückt." - "Na , wo hat'r (habt ihr) denn eure Sachen alles gehabt?" - "Na alles auf'm Wägelchen!" - "Na", sage ich, "na, mein Gott, na, wo habt ihr denn eure Kleider und alles hingetan?" - "Na, Kind, hat sie gesagt, meinst du, wir haben Kleider gehabt? 's hat nur jeder ein Sonntagsanzug gehabt und ein Werktagsanzug. Ich habe zwei Röcke gehabt", hat sie gesagt, "ein Leinwandssrock und ein dünner Rock", hat sie gesagt, "und im Sommer habe ich am Leinwandsrock 's Leibchen abgetrennt und hab's an das dünne rangenäht. Und wenn der Winter rangekommen ist, wenn's kalt geworden ist, habe ich am dünnen wieder 's Leibchen abgetrennt und hab's an den dicken Rock angenäht. Und die Männer hat jeder nur ein Paar Leinwandshosen für sonntags gehabt und ein Paar für werktags. Da war von wollenen wie nix, nix, bloß Leinwandskleider. - Na, sind sie wieder ein Stück gefahren, und dann sind sie auf ein Gut gekommen, wo solche Türken oder solche Häuser, so Volk dort war. - Sie könnten so Stück vier, fünf Tage bei dem Gutsbesitzer dort arbeiten, und sie verdienen sich dort wieder ein bisschen was. - Na, jetzt so lang wir dort waren, so hat uns der dort Mammlik (Polenta) gegeben, so Hirsegrütze und so etwas haben sie gekriegt - und dann wieder so ein Stückchen Brot." - "Die hatten doch auch noch Vieh bei sich gehabt?"-"Nein, nichts, keine Kuh und kein nichts! - Ja, ihre Großmutter, die hat ein Schweinchen gehabt und ein Glucke mit Küken - "Na, dann sind sie wieder weiter, bis sie halt schon marodie (kaputt) waren. Es sind auch zurückgeblieben, wobei haben müssen die ganze Familie zurückbleiben, die krank geworden sind. - Was denkt'r (denkt ihr), von Bayern an bis nach Rußland laufen und keine Stiefel. Sie hatten schon Blasen unter den Füßen gehabt. - Na ja, jetzt sind sie da. - Dort war so alter Wald, so trockener. In dem alten Wald, in dem trockenen dort haben dann die Männer Holz gehackt und das Holz dort beigeschleppt. Dann haben wir uns so Budke (Hütte) gemacht, wie jetzt heutzutage die Weingärtner Hütten haben im Weingarten. - Na ja, halt ihre (Anrede 'Ihre' ?) Urgroßmutter und dann die Großmutter, die wo`s mir erzählt hat, die hat den Bocksbart geschnitten mit der Sichel, und das ist zusammengebunden worden als wie Rohrgarben. Und dann haben sie das Budkechen dort gedeckt und wo sie haben drinn gewohnt. "Und unser Bett", hat sie gesagt, "wo wir gelegen haben, das war mit Wesem (Rasen), haben Wesem gestochen und hingelegt die Wesem und dann paar Stangen darüber gelegt, und schunn (fertig)." - "Ja, und dann 's nächste Jahr", sagt sie, hat sie geheiratet. "Und dann hat mein Mann auch mir so ein Bett gemacht. - Da war kein Kissen, da war kein Strohsack, da war kein Deckbett, nix, als wie das eine Strohleintuch." -"Kind", hat sie gesagt, "wir haben von den Tellern doch nichts gewusst, so irdene Schüsselchen", sagt sie "so haben wir gehabt. - Aber Löffel haben wir gehabt, hat ein jeder seinen hölzernen Löffel gehabt", hat sie gesagt. - "Was für Pflug hatten die?" - "Kind, das war nur so kleines Stückchen Blech an dem Holz drangeschraubt, das war die Schar, und mit dem haben wir geackert. Und dann war's tourenweis, hat sich der Vater und der Sohn, die Mutter, Tochter, was war, rangespannt und haben dann den Pflug wieder weitergezogen. Immer dicht am Dorf herum haben wir so Eckchen vorgenommen" sagt sie, "und haben als (so) geackert. - In Bayern haben wir doch nicht den Pflug brauchen ziehen. Und dann haben die Männer Eggen gemacht von Holz, alles war von Holz." - "Und zuletzt", hat sie gesagt, "war ich schon eine reiche Frau, als wir hier waren", sagt sie. - "Das kannst aber deiner Mutter und deinem Vater erzählen, das ist ganz gewiß wahr, dass wir bei Eurer Großmutter, bei Eurer Urgroßmutter gehockt haben, und wir haben immer erzählt!"

"Na ja, dann war's Nacht. Und dann haben sie sich alle hingelagert, das Lagerchen gemacht und Betten gemacht, wie's gegangen ist, mit Bobschoiblätter (Maisblätter) und mit Rohr und mit allem. Und morgends, wie (als) sie auf sind gestanden, ist dort einer rausgekommen, und dort ist einer rausgekommen, und dort ist einer rausgekommen. Dann sind sie aufeinander zugegangen: Guten Morgen, guten Morgen hat's geheißen. Na, jetzt jeder dankt auch. Dann ist das Geheule losgegangen, haben sie geweint, überhaupt die Frauen", hat sie gesagt. Na, hätte der alte Riehl gesagt: "Weinet nicht, Gott lebet noch, der uns herzlich tröstet!"

Abschrift: Gisela Schaal· Nichte von Alexius Riehl


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