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Individual Report




Die Wanderung der Familie Nikolaus Dirk aus Deutschland nach Krasna/Bessarabien

Taufeintrag Nicolaus Dürck

Quelle: Taufeintrag in Schwarzenholz zu Nicolaus Dürck


Nikolaus Dirk wurde am 10. September 1732 getauft. Er und seine Eltern wohnten in Niedersalbach/Saarland.
Sie waren Nachfahren von Ritt von Rittenhofen (Heinrich Türk)1, der 1664 aus dem Oldenburger Gebiet kam und sich im Dorf Rittenhofen im Köllertal ansiedelte (Ansiedlungsdatum nach OFB Kölln, S. 491: 05. Mai 1665).

Er war der erste Einwohner im verödeten Rittenhofen nach dem 30-jährigen Krieg und betrieb herkunftsgemäß Pferde- und Rinderzucht (aus diesem Grund Ritt von Rittenhofen genannt). Seine Familie nennt sich dementsprechend auch die Ritten Dürcken.

Die Vorfahren von Nikolaus Dirk

Heinrich TÜRK (DÜRCK) (* 1620 † 1684) (Ritt von Rittenhofen)
Ep: Margaretha (* 1625 ⚭ 1650 † 1693)

+-Hans Jakob TÜRK (DÜRCK) (* 1650 † 1719)
Ep: Katharina (* 1655 ⚭ 1680 † 1720)

+-Johann Theobald TÜRK (* 1685 † 1740)
Ep: Maria Margaretha PAUL (* 1685 ⚭ 1707 † 1769)

+-Nikolaus TÜRK (* 1732)
Ep: Barbara SPEICHER (* 1729 ⚭ 1760 † 1765)
Ep: Anna Maria JACOB (* 1744 ⚭ 1767)

Johann Theobald, der Vater von Nikolaus Dirk, ist in Rittenhofen geboren. Er zog nach seiner Heirat in den Nachbarort Niedersalbach, wo er auch starb. Dort lebten seine Schwiegereltern Paul. Warum er nach dort zog, ist nicht bekannt.

Nikolaus in Niedersalbach geboren, hat zunächst Barbara Speicher aus Püttlingen geheiratet. Nach ihrem Tod war er mit Anna Maria Jacob aus Reisweiler verheiratet.
Ihr Leben war nicht einfach, denn der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) hatte viele Orte im Bereich des heutigen Saarlandes wüst und leer zurückgelassen. Der Wiederaufbau vollzog sich sehr langsam. Von acht Häusern/Vogteien in Rittenhofen waren 100 Jahre später erst drei Häuser aufgebaut. Nach dem dreißigjährigen Krieg wurden weitere schreckliche Kriege geführt. Immer wieder musste die Bevölkerung unter den Kriegswirren leiden. Hungersnöte und hohe Kriegssteuern führten zur völligen Verarmung der Menschen. Dazu kam, dass die Gegend überbevölkert und der Landhunger daher groß war. Seit Beginn des 18. Jahrhundert wanderten deshalb zunehmend Menschen aus dem südwestdeutschen Raum (u. a. dem Saarland) aus.

Die Auswanderung der Familie Dirk nach Galizien

Zwischen 1782 und 1787 gingen zahlreiche Menschen nach Galizien, dem östlich des Weichseloberlaufs gelegenen und jahrhundertelang zu Polen gehörenden Gebiet, das bei der ersten polnischen Teilung (1772) von Österreich vereinnahmt worden war.
Dabei spielte das in der Pfalz gelegene, aber zu Vorderösterreich gehörende Oberamt Winnweiler eine besondere Rolle. Dort richtete man um 1781 eine spezielle Anwerbestelle für Galizienauswanderer ein.

Die Anwerbung von Auswanderungswilligen war nicht besonders schwierig. Ein Teil der großen Kinderschar der Bauernfamilien musste regelmäßig den elterlichen Hof verlassen, um sich anderswo eine eigene Existenz aufzubauen.
Die Kaiserlichen Werber schilderten Galizien als ein wahres Kanaan: Günstige Lebensverhältnisse, große Zuteilung besten Bodens, gute Erwerbsmöglichkeiten, kostenlosem Acker- und Bauland, Baumaterial, Saat- und Pflanzgut, Steuerfreiheit für viele Jahre und anderes mehr wurde von ihnen verheißen. Stark war der Widerhall. Vielen war die Heimat verleidet.
Unter den Familien, die nach Galizien zogen, in der Hoffnung, dort ein besseres Auskommen zu finden, war auch Nikolaus Dirk, der am 10.07.1784 mit seiner Familie -8 Personen- in Wien registriert wurde (WK 202/42)2 . Zusammen mit Nikolaus Türk gingen fort seine Cousins Peter und Johann Paul mit Familien.
Siedler gingen meist in Gruppen aus ihrer Heimat fort: Verwandte, Freunde, Nachbarn meist aus gleichem Ort oder näherer Umgebung. Sie haben sich auch zusammen angesiedelt.
Die genauen persönlichen Gründe Nikolaus Dirks kennen wir nicht, aber die allgemeinen Umstände der damaligen Zeit sind oben beschrieben.

Der Hauptwanderweg der Pfälzer ging zunächst nach Frankfurt/Main wo sie vom österreichischen Residenten Franz von Roethlein ihren "Reichskommissariatspass" für die Ausreise erhielten.
Dann ging die Reise nach Ulm oder Donauwörth um von dort mit den flachen, floßähnlichen Schiffen "Ulmer Schachteln"3 die Reise nach Wien fortzusetzen. Die Reisezeit Ulm - Wien betrug etwa 5 Tage.
In Wien mussten sich alle Reisenden bei der Hofagentur melden, wo sie in Consignationen4 aufgenommen wurden und einen Hofpass für die Reise durch Österreich und Reisegeld erhielten. Die Hofagentur verständigte das Gubernium5 in Lemberg, von der die zu erwartende Ankunft und weitere Weisungen an die galizischen Kreisämter und Domänenverwaltungen ergingen.

Von Wien aus ging die Reise auf dem Landweg weiter. Man zog mit Pferdewagen in größeren Gruppen über Brünn, Olmütz, Mährisch-Neustadt, Bielsko-Biala bis nach Krakau und von dort weiter in die Bestimmungsorte. Gereist wurde nur in den Sommermonaten.

Die Länge des Reiseweges:

Von Püttlingen/Saar bis Ulm = ca. 300 km
Von Ulm bis Wien auf der Donau = ca. 660 km
Wien- Brünn- Olmütz- Mährisch Neustadt- Bielitz- Krakau = ca. 570km
Von Krakau bis Zamosc = ca. 300 km
Zusammen ca. 1.830 km

Die Ansiedlung in Galizien

Die Auswanderer, in größeren Gruppen von Wien kommend, betraten in Biala galizischen Boden. Mühsam quälten sich die Gespanne nun vorwärts, denn die Wege waren schlecht. Die Sterblichkeit unter ihnen war groß, die Kindersterblichkeit erschreckend. Die Kaiserlichen Werber hatten das Land Galizien als ein wahres Paradies geschildert.

Groß war deshalb die Enttäuschung der Ankömmlinge als davon nichts zu sehen war.

In der Regel sollten die Ansiedler bei ihrer Ankunft außer Ackerland auch fertig eingerichtete Höfe mit einer Grundausstattung an landwirtschaftlichem Gerät und Vieh erhalten. Da aber die österreichische Verwaltung sich erst im Aufbau befand, konnte die Einrichtung der Höfe für die Ansiedler mit dem Kolonisten-Ansturm nicht Schritt halten. Die Behörden mussten die Menschen aus Mangel an vorbereiteten Kolonisationsplätzen in Notunterkünften unterbringen. Seuchen, besonders die Blattern rissen große Lücken in die Familien und Sippen.

Um eine gewisse Abhilfe zu schaffen, erreichte die Verwaltung eine Vereinbarung mit Großgrundbesitzern, einen Teil der Ansiedler auf Privatgrundherrschaften unterzubringen. Im Oktober 1784 verpflichtete sich Andreas Graf von Zamoyski (Ordinationsherr von Zamosc) 80 Auswandererfamilien aufzunehmen. Andere Grundherren folgten dem Beispiel. Insgesamt gab es im Kreis Zamosc Privatansiedler in 16 Orten, mehr als ein Drittel aller Orte mit Privatansiedler in ganz Galizien6.

Graf von Zamoyski brachte im Jahre 1785 vier Familien deutscher Kolonisten nach Huszczka, Sprengel von Sitaniec. Sie sind im Ansiedlervertrag des Grafen Zamoyski genannt. Es waren die Familien Peter und Johann Paul, Nikolaus und Johann Dirk (letzterer der Sohn von Nikolaus * 1732 aus erster Ehe). Die Brüder Paul und Nikolaus Dirk waren Cousins.

Jeder Ansiedler erhielt rund 12 ha Land (30 Koretz), ein Haus, Stall und Scheune und lebendes und totes Inventar, das in Raten bezahlt wurde.

Die Familien lebten rund dreißig Jahre in Polen bis zum Ende der napoleonischen Kriege in Osteuropa. Die Situation für die Kolonisten war alles andere als rosig.

Die damalige Herrschaft erhöhte die nach sechs Jahren zu leistende Zug- und Fußrobot (bestimmte Abgaben) nach Belieben. Die Folge waren Armut und Hungersnot, die noch durch Dürreperioden, Missernten und Seuchen gesteigert wurden.


Die Siedler machten sehr schwierige und unruhige Zeiten durch.

  • Trotz Missernten mussten sie jetzt Steuern zahlen und ihre Söhne in den Krieg schicken.
  • 1809 Wechsel von der österreichischen Herrschaft unter die polnische7 . Sie hatten unter den Großgrundbesitzern Polens sehr zu leiden.
  • Die napoleonischen Kriege brachten ihnen viel Leid. Insbesondere in der Region Zamosc gab es 1809 mehrere Schlachten Napoleons gegen Österreich, bei denen ihre Felder verwüstet wurden, sie die Soldaten versorgen mussten.
  • 1812 folgten Truppendurchzüge, Requirierungen, Plünderungen beim Feldzug Napoleons nach Russland und bei der Rückkehr der geschlagenen französischen Armee nach Westen.

Die Weiterwanderung der Familie Dirk nach Bessarabien

Aus dieser Situation ergaben sich die Beweggründe für die Weiterwanderung der Leute nach Bessarabien, das Russland 1812 den Türken abgerungen hatten.
Die russische Regierung war besonders auch an deutschen Siedlern interessiert und bestimmte Süd-Bessarabien (Budschak) als Siedlungsgebiet für deutsche Auswanderer.
Der Zar kannte die trostlose Lage der im Herzogtum Warschau in ärmlichen und ungesicherten Verhältnissen wohnenden Deutschen. Er war darauf aufmerksam geworden, als seine Soldaten im Winter 1812/1813 die geschlagene französische Armee auf ihrem Rückzug vom Russlandfeldzug verfolgten.
Der Krasnaer Gemeindebericht von 1848 sagt über den Grund der Weiterwanderung: "...Die alles zerstörenden Kriegszüge der Franzosen nach Russland über Polen brachten die Kolonisten beinahe um alle ihre Habe. Da fühlten die Kolonisten, dass das zerrissene Polen ihnen keine Sicherheit und Schutz für die Zukunft geben konnte und folgten der damals von der russischen Regierung ergangenen Einladung, sich in Bessarabien anzusiedeln."

In seinem Aufruf vom 29.11.1813 rief Alexander I. zu einer freiwilligen Auswanderung nach Russland auf. Das Manifest des Zaren sicherte den Emigranten in Bessarabien Religionsfreiheit, Befreiung vom Kriegsdienst, zehnjährige Steuerfreiheit, 60 Desjatinen (=66 ha) Land für jede Familie und Geld für den Hausbau zu.
Das klang sehr verlockend in der trostlosen Lage der Deutschen in Polen. 66 Hektar Land als Eigentum für jede Familie! Das war 4- bis 5-mal so viel wie sie von Österreich bekommen hatten.
Die großzügigen Versprechungen des Zaren bewirkten, dass viele Familien aus Galizien zwischen 1814 und 1820 ihre kaum erworbene Heimat in Polen verließen.

Die 1784/1785 aus Deutschland ausgewanderten Familienväter waren bereits bei der Einreise in Galizien zwischen 30 und 50 Jahre alt. Als es nach Bessarabien weiterging, lebten einige nicht mehr oder sie sind nicht mehr weitergewandert. Sie waren 1814 schon in einem für damalige Verhältnisse recht hohen Alter (um 60 Jahre und älter).
Das Geburtsjahr von Türk Nikolaus *1732 lässt vermuten, dass er in Galizien gestorben und nicht mit nach Krasna weitergezogen ist. 1814 wäre er immerhin 82 Jahre alt gewesen.

In diesen Familien wurden zwischen dem Einwanderungszeitpunkt nach Galizien und der Weiterwanderung nach Bessarabien (ca. 30 Jahre) Kinder in der neuen polnischen Heimat geboren. Die meisten der nach Krasna weitergewanderten Kolonisten aus dem Raum Zamosc dürften in Polen geboren sein.

Aus der Sippe Dirk zog Sohn Nikolaus Dirk * 1769 nach Bessarabien weiter8 . Er ist der Ahnherr der Krasnaer Dirks.
Interessant ist, dass bei der Weiterwanderung -wie bei der Einwanderung nach Polen-Mitglieder der mit ihm verwandten Familie Paul zusammen mit Nikolaus Türk nach Krasna kamen.
Im Kirchenbuch von Sitaniec findet sich ein Eintrag über die Heirat von Nikolaus Türk mit Katharina Altmayer am 22. November 1791. Die Türks wohnten zwar in der Kolonie Huszska, aber es war damals üblich, dass die Trauung im Wohnort der Braut stattfindet.

Türk, Nicolaus aus dem Kreis Zamosc, Gouvernement Lublin, Herzogtum Warschau, emigrierte nach Rußland im Jahr 18149 . Ehefrau Gertrude ; Kinder Peter, Mathias, Johann, Nikolaus, Christine, Marianne10.
Gertrud ist die zweite Ehefrau von Nikolaus. Sie ist laut Census von 1835 um 1785 geboren. Das Paar hat nach dem Taufbuch von Krasna am 25. 12. 1817 einen Sohn Nikolaus bekommen. Es folgen weitere Kinder bis 1826: Marianna * 12.03.1819, Margaret * 21.10.1823, Elisabeth und Dorothea am 17.06.1826. Demnach ist Nikolaus Dirk danach gestorben.
Gertrud hat als Witwe von Nikolaus Dirk Johann Peter Becker geheiratet.

Nikolaus Dirk gehörte zu den Erstansiedlern in Krasna.
Nach einem Verzeichnis der Kranken in der Kolonie Krasna vom 19. 11. 1819 [Schulz Franz Bietsch (Petsch); Beisitzer Nikolaus Dürck (Dirk) u. Nikolaus Lauterbach] war

  • Nikolaus Dirk um 1819 Beisitzer der Kolonie Krasna (in dieser Funktion war er Teil der Gemeindeverwaltung und Vertreter des Schulzen/Bürgermeisters),
  • Nikolaus Dirk 53 Jahre alt, krank am 24. August 1819, Söhne Mathias & Johann werden genannt.

Seinen Hof in Krasna hat wohl sein jüngster Sohn Nikolaus * 1804 geerbt, wie es den geltenden russischen Gesetzen entsprach. Aber die anderen Söhne hatten auch eigene Höfe erworben.
Den Namen Dirk/Dürck/Türk gab es zunächst nur in Krasna, in sonst keiner bessarabischen Kolonie. In späteren Generationen sind Angehörige weitergezogen nach Emmental, Marienfeld, in die Dobrudscha, nach USA/Kanada, Brasilien, Argentinien.
Nachkommen von Nikolaus Dirk lebten bis zur Umsiedlung der Deutschen aus Bessarabien im Jahre 1940 in Krasna. Als letztes Mitglied der Sippe wurde DIRK, Klara ? 11.10.1939 dort geboren.


Eduard Volk

Neuwied, den 18. September 2024



1 Quelle: J.Müller: Ritt von Rittenhofen... in: SBZ Geschichte und Landschaft 177/178;1979
2 Quelle: Franz Wilhelm und Josef Kallbrunner: Quellen zur deutschen Siedlungsgeschichte in Südosteuropa, München, Reinhardt, 1936; page 202, # 42.
3 Die Ulmer Schachteln waren ganz billig hergestellte Boote, die nur in einer Richtung donauabwärts fuhren, denn sie wurden am Ende Ihrer Reise als Brennholz verkauft.
4 Diese Listen existieren noch im Hofkammerarchiv in Wien, eine wichtige Quelle der Familienforschung.
5 politische Verwaltung eines Gouvernementsbezirkes
6 Quelle: Ansiedlervertrag des Grafen Zamoyski vom 28 Februar 1785 (Archiv Lublin).
Ausweis über die in den Königreichen Galizien mit Ende des 1786ten Jahrs vorfindige deutsche Privat-Ansiedler sowohl Bauern als Handwerksleute und über den Bestand ihrer Dotirung. Abgeschlossen Lemberg, 14. Hornung 1788. - Hofkammerarchiv Faszikel 6925, Nr. 30 vom 30. März 1788." (Hofkammerarchiv Wien).
7 Der Raum Zamosc wurde 1809 dem von Napoleon 1807 gegründeten Herzogtum Warschau zugeschlagen.
8 Die Reise nach Bessarabien kann nachgelesen werden im ebook: Die Herkunft der Krasnaer Kolonisten und ihre Wanderung nach Krasna
9 Quelle: Verzeichnis von Dr. Hopf (Krakau) über die Auswanderung aus Polen (Herzogtum Warschau) nach Rußland (Allgemein). Page 64, # 887. National Archives II, College Park, Maryland, USA.
10 Nicht eindeutig Nikolaus zuzuordnen sind die Erstansiedler in Krasna:
21 - DIRK, Jacob (1800), Ehefrau ARNOLD, Marianna (1804)
96 - Michael Dirk 23 - Wife: Susanna 17
Entweder ist die Liste von Hopf nicht komplett oder es handelt sich um Kinder von Nikolaus' Brüdern, z.B. von Johann.

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